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Carl EINSTEIN (2). Carl Einstein im Exil.

Carl EINSTEIN im Exil. Par Marianne KRÖGER et Hubert ROLAND. "Art et politique dans les années 30". Edition Wilhelm FINK. En Allemand. Auf Deutsch.

Marianne Kröger

Carl Einstein als politischer Publizist - Die Broschüre von 1937/38 über die NS-Interventionspolitik im Spanienkrieg

 
Es gibt noch immer große Lücken in unserem Wissen über Carl Einsteins Verbleib in Spanien zwischen 1936 und Anfang 1939. Wertet man nun auch die neueren Informationen über Carl Einstein im Spanischen Bürgerkrieg aus,[1] so ergibt sich folgendes Bild :
 
Einstein kämpfte nicht nur mit dem Gewehr. Er eroberte sich schon in den Milizformationen rasch Autoritätspositionen, sei es als militärischer Berater, als militärisch-technischer Verantwortlicher eines bestimmten Frontabschnitts oder als "Ayudante de Campo" [Adjutant].[2] Ebenso war er - zumindest für einige Zeit - an militärtechnischen Debatten und Planungen beteiligt. Er führte sich in Spanien nicht nur als international renommierter Schriftsteller, Kunstexperte, Wissenschaftler und Intellektueller mit revolutionärem Hintergrund ein, sondern präsentierte sich auch als politischer Publizist, als Militärtheoretiker und -stratege mit praktischen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg und fundiertem Wissen über europäische Verhältnisse.
 
Carl Einstein scheint sich ab 1937 nicht nur im anarchistisch geprägten Aragonien und Katalonien aufgehalten zu haben, sondern auch innerhalb der republikanischen Zone herumgereist zu sein, viele Kontakte geknüpft und sich einen Überblick über die spanischen Verhältnisse verschafft zu haben. Von diesen Orientierungsreisen zeugen einzelne Passagen in Briefwechseln und der in "Fragua Social" abgedruckte Bericht, der die redaktionelle Einleitung zum Abdruck seines Artikels "Die Front von Aragon" darstellt. Politisch hat Einstein mit der Stellungnahme gegen die Militarisierung der Milizen in "Die Front von Aragon" am deutlichsten Position bezogen. "Eine andere Macht versucht, außenpolitische Gegensätze abzuschwächen, ja glaubt, Konflikte vermeiden zu können, wenn die spanische Arbeiterschaft die Revolution demokratisch-volksfrontlich abklingen läßt“ (W 3, 466) - eine solche Bemerkung bezieht sich ganz unzweideutig auf die stalinistische Spanienpolitik, die den hochmotivierten, aber schlecht ausgerüsteten anarchosyndikalistischen und POUM-Milizen an der Aragon-Front die Waffen versagte, was Letzteren schreckliche Verluste einbrachte und - im Gegensatz zu dem formulierten Anspruch, zuerst den Krieg zu gewinnen - militärische Erfolge an dieser Front gezielt verhinderte. Anders als eine Kritik an der Haltung der Sowjetunion ist der Beitrag nicht lesbar. Die erwähnten Reisen innerhalb des republikanischen Gebietes müssen Einstein aber auch zu der Einsicht gebracht haben, dass die anarchistisch-anarchosyndikalistische Hochburg Katalonien, mit der jeder ausländische Freiwillige nach seiner Ankunft in Barcelona konfrontiert wurde, auch im republikanischen Spanien eine Ausnahmeerscheinung und eben nicht die Regel darstellte. Außerdem hatte ein ausgeprägtes katalanisches Nationalempfinden, zwar nicht bei den Anarchosyndikalisten, aber bei anderen katalanischen Parteien, im übrigen Spanien zu einem gewissen Misstrauen und Vorbehalten gegenüber Katalonien geführt. Auch dies war erst wahrzunehmen, wenn man sich in Spanien außerhalb Kataloniens aufhielt.
Diese Erfahrungen führten ihn zur Versachlichung seiner schriftlichen Äußerungen und zur Verlagerung seiner Thematik auf die europa- bzw. weltweite militärische Bedrohung durch die Achsenmächte. Letzteres, so scheint es, erhielt umso mehr Gewicht, je härter und bedrohlicher die politischen Auseinandersetzungen in Spanien innerhalb des linken Spektrums selbst wurden, in deren Strudel die internationalen Freiwilligen hineingerissen wurden.
 
Die Maiereignisse 1937, die mit der versuchten Erstürmung der bislang von den Anarchisten kontrollierten Telefonzentrale in Barcelona durch Polizeieinheiten unter kommunistischem Einfluss begannen und bei denen sich Anhänger der Anarchisten, Anarcho-Syndikalisten und POUM-Marxisten auf der einen Seite, Kommunisten und die Sturmgardisten der zentralen Staatsgewalt auf der anderen Seite bei blutigen Straßenkämpfen gegenüberstanden, veränderten das politische Kräfteverhältnis in Spanien nachhaltig und unwiderruflich. Diese fünf Tage im Mai, die Schätzungen zufolge 400-500 Tote forderten, führten zur Bildung einer neuen Regierung, durch die die anarchistische Bewegung geschwächt und die Position der anfangs eher unbedeutenden Kommunistischen Partei erheblich gestärkt wurde. Sie hatten nicht nur zur Folge, dass die kleine POUM-Partei unabhängiger Marxisten unter dem von der Komintern ersonnenen Vorwurf, gemeinsame Sache mit den Faschisten zu machen, zunächst kriminalisiert, dann ganz von der politischen Bühne verdrängt und ausgeschaltet wurde.[3] Die politische Verfolgung traf auch insbesondere die deutschen, österreichischen und italienischen freiwilligen Spanienkämpfer in den Reihen der anarchistischen Milizen, von denen nicht wenige unter dem Vorwurf, faschistische Spione zu sein, in die Gefängnisse der republikanischen Regierung und die geheimen Tscheka-Gefängnisse der GPU in Spanien eingeliefert wurden. Führende Köpfe der Linksopposition verschleppt und ermordet ; so etwa der anarchistische italienische Philosophieprofessor Camillo Berneri, der sich in einigen Essays und Artikeln kritisch zum politischen Verlauf des Spanischen Bürgerkriegs geäußert hatte.
 
Angesichts dieser Umstände bleibt noch im Unklaren, wie es Einstein gelang, der parteikommunistischen Kampagne gegen Linksoppositionelle zu entgehen, zumal er an den Kämpfen während der Maitage, die in führenden kommunistischen Presseorganen als "trotzkistisch-faschistische[r] Putsch in Barcelona"[4] bezeichnet wurden, aktiv teilgenommen hatte. Wer ihm übel gewollt hätte, hätte ihm über seine Familienverhältnisse, Freundschafts- und Arbeitskontakte (die Schwester seiner Ex-Ehefrau, Alexandra Ramm-Pfemfert, und sein Ex-Schwager, Franz Pfemfert, waren eng mit Trotzki befreundet ; Alexandra Ramm übersetzte dessen Werke[5]) eine Nähe zum Trotzkismus nachsagen können. Solch ein Vorwurf hätte beispielsweise von Nico Rost kommen können, der bei seinem zweiten Spanienbesuch im Auftrag der Komintern im Juli 1937 erneut die republikanische Zone bereiste, um auf dem Zweiten Internationalen Schriftstellerkongress heftige Trotzkismus- und Verratsvorwürfe gegen unabhängige, moskaukritisch agierende linke oder humanistische Intellektuelle (insbesondere André Gide und Jef Last) zu lancieren. Sein Biograph charakterisiert ihn als jemanden, der sich zu einem harten Polemiker entwickelt hatte, der in seinen publizistischen Attacken niemanden, auch seine früheren Freunde nicht, verschonte.[6] Allerdings fand die überlieferte Hotelbegegnung zwischen Rost und Einstein im Frühjahr 1937 während Nico Rosts erster Orientierungsreise nach Spanien statt, wo er nur als Journalist unterwegs war.[7] Ging von Nico Rost - etwa durch Berichterstattung an die Komintern - tatsächlich eine politische Gefahr für Einstein aus oder ist es denkbar, dass Rost beim Anblick eines alten Freundes aus Berliner Zeiten den politischen Abstand zwischen ihnen einfach ignorierte und sich nur freundschaftlich verhielt, zumal er Einstein vieles verdankte ? Hat Rost seine Begegnung an einflussreichere Parteikader weitergemeldet ? Wir wissen es nicht.
 
Auffallend ist, dass Einstein sich ab den Maiereignissen politisch recht vorsichtig - man könnte auch sagen : diplomatisch - verhält und offenbar stärker auf seine Pluspunkte für die Republikaner aller Schattierungen setzt : internationale Prominenz, intellektueller Scharfsinn, politische Publizistik und fundiertes Militärwissen.[8] Er suchte nachweislich Kontakte zur Presse und zum Rundfunk, nutzte also die Öffentlichkeit, um Stellungnahmen abgeben zu können und um Einfluss auszuüben. Er verließ weder nach der Umwandlung der Milizen in eine hierarchisierte Armee noch nach der politischen Einbindung führender anarchistischer Politiker in die staatliche Restauration (was ja ihren Prinzipien widersprach) empört das Land und hat sich auch nicht radikalisiert. Das wäre möglich gewesen etwa durch das demonstrative Verlassen der Front und die Rückkehr nach Barcelona Anfang 1937 - wie es andere Freiwillige aus der Kolonne Durruti taten -, oder den Anschluss an die oppositionelle anarchistische Gruppierung "Los Amigos de Durruti". Er nahm offenbar die andere Möglichkeit wahr, die es gab : sich auf militärischem Gebiet Einheiten anzuschließen, die keinem kommunistischen Befehlshaber unterstellt waren, wie er in seinem Brief an Hubertus Prinz zu Löwenstein betonte : "mais je partais pour l’Espagne, ou [sic] on m’avait appellé comme technicien militaire. En étant un démocrate décidé, je servais dans des unités strictement anticommunistes."[9] Gleichzeitig enthielt er sich politisch jedoch auffallend der gängigen Ideologeme und gegenseitigen Beschuldigungen.[10] Für Einstein ging es um mehr : um die Abwehr der nationalsozialistisch-faschistischen Expansion, die sich als Zweiter Weltkrieg drohend abzeichnete (und ja auch für ihn und die anderen Exilanten eine Gefahr darstellte), und um "den politischen und sozialen Fortschritt in Europa"[11], wie er in "Fragua Social" angibt. Dieser Blick über den Tellerrand der innerspanischen Verhältnisse und das Bedürfnis, in diesem Sinne aufklärerisch zu wirken, und gegen den faschistischen Gegner nicht nur militärisch vorzugehen, kennzeichnen Einsteins Aktivitäten im Spanischen Bürgerkrieg. Damit wird eine neue Seite Einsteins im Exil sichtbar, die vermutlich wichtiger und umfassender war, als bisher angenommen wurde. Dieser politische Publizismus Einsteins in Spanien steht auch im Gegensatz zu seiner schon oft konstatierten politischen Abstinenz im französischen Exil. Und er lieferte einen weiteren Grund, weshalb Einstein die Gestapo zu fürchten hatte : So war er aus deren Sicht nicht nur als linker Aktivist aus der Novemberrevolution, als Jude, als Literat, Förderer ’entarteter Kunst’ und Spanienkämpfer Ziel ihrer Verfolgung, sondern auch, weil er in Spanien dezidiert gegen das Hitler-Regime und gegen dessen Aufrüstung und Kriegsplanung Stellung bezogen hat.
 
Obwohl es bei ihm auch längere Verletzungspausen gab, ist davon auszugehen, dass noch mehr publizistisches Material von Einstein aus der Spanienzeit existiert. Dazu rechne ich die nachfolgend präsentierte, anonym erschienene Broschüre.[12] Ein hundertprozentiger Nachweis der Urheberschaft ist zwar letztlich unmöglich, und ein Irrtum kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Dennoch schließen die Thematik und größtenteils die Rhetorik nicht nur an Einsteinsche Äußerungen im Spanischen Bürgerkrieg an, sondern passen auch in den oben skizzierten Aktionsrahmen Einsteins in Spanien. Er selbst verweist in seinem Interview mit "La Vanguardia" auf die in der Broschüre befindlichen Gedankengänge, die er gegenüber dem Interviewer verkürzt, aber mitunter nahezu wörtlich wiedergibt.
 
1937 ist im Übrigen ein sehr ähnlicher Bericht des anarchistischen Vordenkers Rudolf Rocker, "The Spanish Tragedy" [dt. : Die spanische Tragödie[13]] veröffentlicht worden, in dem teilweise dieselben Argumentationsstränge und Fakten enthalten sind, der jedoch eine agitatorisch-antikommunistische Stoßrichtung aufweist, welche in der anonymen Broschüre gänzlich fehlt. Darin ist das Verhältnis der Sowjetunion zu Spanien vollkommen ausgeblendet - was damals sowohl auf der proanarchistischen als auch auf der prokommunistischen Seite sehr untypisch war - ; die Sowjetunion wird lediglich bei der Erörterung der Fragestellung erwähnt, ob die deutschen Militärs tatsächlich die Dummheit begehen würden, sich Großbritannien, Frankreich und Sowjetrussland zugleich zu Feinden zu machen und Fronten an beiden Seiten Deutschlands zu eröffnen. Jene Schrift operiert also deutlich mit einer anderen, bewusst sachlich gehaltenen Terminologie und einem anderen Stil. Im Gegensatz zur offensiven Ablehnung der italienischen und deutschen Diktatur ist eine Parteinahme für irgendeine der kämpfenden Parteien auf der linken, republikanischen Seite auf den ersten Blick nicht ersichtlich.
 
Ihr Titel ist zwar nicht ganz mit dem im Interview erwähnten Titel "[Die] Struktur der faschistischen Militärpläne" identisch. Die Militärstrategie des Nazi-Regimes - insbesondere die mit der enormen Aufrüstung verbundene Kriegsplanung - ist dennoch ihr Hauptthema. Sie erschien unter dem Titel "La intervención alemana en España" (Die deutsche Intervention in Spanien) und dem Untertitel "Algunos juicios sobre la política de Hitler" (Einige Einschätzungen zur Hitlerschen Politik). Das, was als Hitler-Politik behandelt wird, betrifft allerdings, neben ökonomischen Erwägungen, hauptsächlich die militärische Planung.
 
Als Ort ist Barcelona angegeben, als Verlag werden "Ediciones Españolas" in der "Av. 14 de Abril, 556" genannt. Eine Jahresangabe fehlt. Der Preis betrug 1,25 Pesetas.
Die Broschüre enthält ein Vorwort eines ebenso anonym bleibenden Herausgebers, in dem dieser den Verfasser charakterisiert, worauf noch eingegangen wird. Ferner macht er darauf aufmerksam, dass die Aufklärungsschrift noch vor den jüngsten politischen Entwicklungen in Deutschland entstanden sei, nämlich vor der Entmachtung der deutschen Wehrmachtsführung am 4. Februar 1938 durch die Entlassung des Reichskriegsministers Werner von Blomberg (und des Oberbefehlshabers des Heeres Werner von Fritsch) sowie sechzig weiterer Generäle der Reichswehr. Er bedauert zwar, dass ein Teil der Schrift zum Zeitpunkt ihres Druckes nun bereits überholt sei, verweist jedoch ausdrücklich auf die Informationen über die innerdeutschen Differenzen zwischen den Nazi-Funktionären einerseits und dem deutschen Volk, das den Spanienkrieg zwar ablehne, sich jedoch unter dem Terrorregime nicht öffentlich äußern könne, andererseits. Bestätigt sieht er diese Sichtweise durch weitere Veröffentlichungen in deutschen Fachzeitschriften, die es wagten, unter dem Vorwand rein militärtechnischer Kritik die Militärintervention in Spanien abzulehnen. Diese internen Widersprüche in Hitlerdeutschland waren es also in erster Linie, die die spanische Redaktion wichtig genug fand, um die Verbreitung der Broschüre in Spanien zu legitimieren.
Aufgrund der Tatsache, dass die aktuellste im Text erwähnte Zeitungsausgabe vom 10. Dezember 1937 datiert, lässt sich demnach der Entstehungszeitraum der Broschüre auf die Periode zwischen dem 10. Dezember 1937 und dem 3. Februar 1938 eingrenzen. Veröffentlicht wurde sie 1938.
 
Die inhaltlichen Übereinstimmungen mit einer anderen Aufzeichnung aus dem Einstein-Nachlass und seinen im Interview geäußerten Gedankengängen sind teilweise frappant. Um die hier wesentlichsten Aussagen aus jenen Texten kurz in Erinnerung zu rufen :
Unter dem Stichwort "Gefahren" und der Signatur 201 befindet sich im Carl-Einstein-Archiv eine Blattseite, die Notizen zu Franco-Spanien enthält.[14] Zu lesen sind darauf Stichworte wie "deutsch italienisch japanisch spanische Zusammenarbeit in Africa [sic]", "Mittelmeer Nordafrica kuenftiger Kriegsschauplatz", "Spanien wird das 2te alliierte Protektorat Deutschlands sein - die atlantische Straße -", "Tunis Marocco Tanger Balearen Canaris etc.", und schließlich - für den Vergleich mit der Broschüre besonders aufschlussreich - die Notiz : "Das Mittelmeer wird immer der künftige Kriegsschauplatz sein - [...] Spanien = der 3e im Protektorat - Brücke zu Afrika und Südamerika - Frage der neutralisierung [sic] Spaniens". Eine weitere inhaltliche Übereinstimmung betrifft das Stichwort der Repatriierung. "Franko [sic] tut nichts für Repatriierung" ist dort auf S. 3 zu lesen. Auch dazu findet man eine entsprechende Passage auf S. 7 der Broschüre, wo sich der Autor auf die zeitgleich stattfindenden Marinemanöver des Deutschen Reiches vor der spanischen Westafrikaküste bezieht, die Franco damit rechtfertigte, man wolle die Deutschen repatriieren.
 
In der Barceloneser Tageszeitung "La Vanguardia" vom 24. Mai 1938 ging Einstein in einem Interview ausführlich auf die möglichen Kriegsplanungen und -strategien Hitlerdeutschlands und seines Verbündeten Italien ein.[15] Sich diese zu vergegenwärtigen, sei wichtig, betont er darin, man dürfe nicht auf die Rhetorik des heroischen Kampfes gegen den Bolschewismus hereinzufallen, der nur ein ideologischer Vorwand dieser Staaten sei. Ferner thematisiert er die Erprobung neuer Kriegsmethoden auf der Grundlage einer weltweiten Expansionspolitik des NS-Regimes, die auch Afrika, den Mittleren sowie den Fernen Osten zum Schauplatz eines weltweiten Krieges zu machen beabsichtige, um sich nicht nur die dortigen Bodenschätze, sondern auch die britischen und französischen Kolonien anzueignen. Ausführlich wird von ihm geschildert, dass Spanien aufgrund seiner günstigen geostrategischen Lage bereits in jenem Augenblick des Interviews von den Achsenmächten längst dazu benutzt werde, die enge Verbindung zwischen Frankreich und Afrika zu kappen. Es käme von nun an darauf an, sich dieser Strategie mit aller Kraft zu widersetzen. Jede neue Materiallieferung Nazideutschlands und Italiens an Franco-Spanien, die ohnehin kaum noch zu steigern sei, trage aufgrund des gewaltigen, damit verbundenen Aufwands dazu bei, einen drohenden neuen Weltkrieg abzuwenden. Insofern sei Spanien das Bollwerk Europas, in dem sich gerade entscheide, ob ein solcher neuer Weltkrieg durchführbar sei oder nicht. Neben eigenen Aktivitäten erwähnt Einstein in dem Interview darüber hinaus die generell bedrohte Situation der Kunst und Kultur in totalitären Staaten. In der Einleitung des gekürzt wiedergegebenen Interviews verweist der ungenannt gebliebene Journalist ausdrücklich auf eine vor kurzem veröffentlichte Untersuchung Einsteins zum Thema "La estructura de los planes militares fascistas" (wörtlich : "Die Struktur der faschistischen Militärpläne").
 

Die Broschüre - Aufmachung und Kontext

Die anonym erschienene Broschüre enthält insgesamt zehn Kapitel mit Überschriften und einigen Fotos von auf spanischem Territorium erbeutetem deutschen Kriegsmaterial (abgestürzte Flugzeuge mit deutschsprachigen Plaketten, Panzer, Sprengkörper und Munition aus deutscher Produktion), festgenommenen deutschen Soldaten, deren Pässen und Parteiausweisen. Namentlich genannt werden der deutsche Pilot Hans Sobotka, der nahe Guernica in Gefangenschaft geriet, sowie die deutschen Piloten Schulze-Blank und von Harling, ebenfalls beteiligt an der Bombardierung Guernicas. 
Ein wichtiger Hinweis auf den Verfasser findet sich bereits im Vorwort. Es informiert den spanischen Leser darüber, dass der Autor der Abhandlung ein Deutscher ist, und zwar eine auf dem Gebiet der europäischen Politik sehr bewanderte Persönlichkeit. (S. 1) Weiter heißt es dort :
Der Leser wird den Weitblick seiner These und die außergewöhnliche Dokumentation, die zum Verständnis der tatsächlichen Ursachen unseres Krieges beiträgt, zu schätzen wissen. (S. 1)
 
Es folgt die bereits erwähnte Erklärung über die jüngsten Ereignisse im NS-Staat, die in der Broschüre nicht mehr berücksichtigt werden konnten. 
 
Auffällig sind in der nachfolgenden Schrift die zahlreichen Zitate von Autoren wie Clausewitz, Bismarck, der beiden deutschen Historiker Leopold von Ranke und Hans Delbrück und des damaligen Berliner Militärhistorikers Rudolf von Xylander. Weitere Zitate stammen von Hitler, Mussolini, General Ludendorff, dem Ex-Kanzler Georg Michaelis, dem Mitarbeiter der Wochenzeitschrift "Das Reich", Hans Schwarz van Berk, dem AEG-Verwaltungsratsmitglied Otto Wolf sowie dem französischen General Foch.
 
Darüber hinaus enthält der Text Zitate aus den deutschen Presseorganen "Deutsche Wehr", "Militärwochenblatt", "Militärwissenschaftliche Rundschau", "Völkischer Beobachter", "Preußische Jahrbücher", "Angriff", "Frankfurter Zeitung" und der britischen "The Times". Die "Preußischen Jahrbücher" wurden im Übrigen von dem Historiker und Politiker Hans Delbrück herausgegeben. Bei Delbrück, der 1896 in Berlin den Lehrstuhl für Allgemeine und Weltgeschichte des verstorbenen Heinrich von Treitschke übernommen hatte, auf dem er bis zu seiner Emeritierung 1921 verblieb, könnte Carl Einstein, der sich ja auch in das Fach Geschichtswissenschaft eingeschrieben hatte, sogar Vorlesungen besucht haben.
Zwei Buchveröffentlichungen werden ebenfalls erwähnt : zum einen "A History of Sea Power" von William Oliver Stevens und Allan Westcott (1920) und "Für Staat und Volk. Eine Lebensgeschichte", geschrieben von Georg Michaelis (Berlin 1922).
 
Wie kann es möglich gewesen sein, in Spanien an solche Presseorgane des Gegners heranzukommen ? Dazu sind drei Zugänge denkbar.
Zum einen konnte es sich bei einem Teil dieses Materials um zufällige Funde bei den Durchsuchungen der Villen, Wohnungen und Büros enttarnter und geflüchteter deutscher NSDAP-Angehöriger in Barcelona handeln. Diese Durchsuchungen wurden kurz nach dem Sieg der Volksmilizen in Katalonien von Mitgliedern der Gruppe Deutsche Anarcho-Syndikalisten (DAS) durchgeführt. Nach Auswertung der auf diese Weise erhaltenen Dokumente, Geheimakten, Korrespondenzen und Presseorgane veröffentlichten Mitglieder der DAS im Jahr 1937 das "Schwarz-Rotbuch - Dokumente über den Hitlerimperialismus", das zahlreiche Querverbindungen zwischen deutschen nationalsozialistischen Organisationen und den spanischen Putschisten dokumentierte und die These einer längerfristigen Vorbereitung des Putsches mit deutscher Mitwisserschaft und tatkräftiger Unterstützung vertrat. Darin ist etwa nachzulesen, dass zu den enttarnten NSDAP-AO-Vertretern in Barcelona beispielsweise auch ein leitender Siemens-Angestellter gehörte. Die Rolle einiger Siemens-Mitarbeiter in Spanien wird auch in der anonymen Broschüre ausdrücklich erwähnt, ebenso wie die Aktivitäten der NSDAP-Auslandsorganisation "Deutsche Arbeitsfront" in Spanien.[16]
 
Die zweite Beschaffungsmöglichkeit betrifft beschlagnahmtes Material der von den Republikanern gefangen genommenen deutschen und italienischen Offiziere. Die bei der Schlacht von Guadalajara in Kriegsgefangenschaft geratenen italienischen Offiziere der Mussolini-Regierung beispielsweise hatten etliche Dokumente bei sich, die belegten, dass sie der regulären italienischen Armee angehörten und nach Spanien abkommandiert worden waren. Hubertus Prinz zu Löwenstein, der die Fronten im Sommer 1937 besucht hatte und dabei auch mit italienischen Kriegsgefangenen sprechen konnte, erwähnt diese Begegnungen in seinem Spanienbericht "A Catholic in Republican Spain", und ihn hatte Einstein ja bekanntlich bei Jaime Miravitlles, dem Propagandaminister der katalanischen Generalitat und Politiker der "Esquerra Republicana", kennengelernt. Über Miravitlles hätte demnach auch Einstein an derartiges Fotomaterial herankommen können.
Diese Fotos waren von großer Bedeutung, konnte Spanien doch mit ihrer Hilfe vor dem Noninterventionskomitee in London endlich schlüssige Beweise vorlegen, dass es sich bei den italienischen Soldaten ganz explizit nicht um individuelle Freiwillige handelte.[17] Dass auch abgeschossene deutsche Wehrmachtsoldaten, die sich durch Fallschirmsprünge hatten retten können, interessantes Material bei sich trugen, erwähnt die Broschüre selbst.
 
Als dritte Möglichkeit kommt die reguläre Archivierung der feindlichen deutschen Presse durch die CNT-Büros in Frankreich und Spanien in Betracht. Aus der erhalten gebliebenen Korrespondenz von Martin Gudell (-Petrowsky), dem lettischen Sekretär von Mariano Vázquez im Regional- [dem späteren National-] Komitee der CNT-FAI in Barcelona, ist zu ersehen, dass die CNT noch Anfang Januar 1939 Aufträge zur Übersetzung von Artikeln erteilte, die in der deutschen Presse erschienen waren, darunter auch Zeitschriftenartikel von Rudolf von Xylander.[18]
 
Dies würde auch bedeuten, dass die Broschüre durchaus noch immer im anarchistischen Umfeld angesiedelt gewesen sein kann, und auch das wäre eine weitere Spur zu Einstein. Dafür spricht auch, dass erneut die großartige Abwehrleistung der Volksmilizen lobend erwähnt wird - und dies inmitten eines politischen und publizistischen Klimas, in dem die Milizen, außer in der anarchosyndikalistischen Bewegung, nur noch negativ konnotiert sind.
 
Für eine Auftragsarbeit, ganz sicher aber für eine enge Zusammenarbeit mit anderen Personen sprechen die Fotos, da diese mit den Abbildungen der erbeuteten Waffen aus verschiedenen Regionen Spaniens stammen und es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass der Autor sich selbst als Fotograf auf ausgedehnte Reisen begeben hatte.
 
Etlichen Begriffen ist die Übersetzung aus dem Französischen ins Spanische anzumerken, so dass man davon ausgehen kann, dass dem Übersetzer ein französisches Original vorlag. Es findet sich darin etwa die Bezeichnung "Gazette de Francfort" (S. 19) statt "Frankfurter Zeitung". Den Namen Otto Wolf (S. 26) und Hans Schwarz van Berk (S. 26) ist ein "M." für "Monsieur" vorangestellt, was der spanische Übersetzer vermutlich nicht zu deuten wusste, und wo sich zudem noch ein Druckfehler eingeschlichen hat : Das "M." mutierte bei Otto Wolf sogar zu einem "N." 
 
Insgesamt kann die Broschüre als sprachlich anspruchsvoll bezeichnet werden. Es entsteht beim Lesen sofort der Eindruck, dass man es aufgrund der Terminologie mit einem belesenen Geisteswissenschaftler, Philosophen oder Literaten zu tun hat. Darauf verweisen einige sehr spezifische Begriffe und Fremdwörter, aber auch Metaphorisierungen und Poetologisierungen politischer Sachverhalte sowie eine gewisse hintergründige Ironie, die in manchen Passagen zum Ausdruck kommt. Da die Schrift versucht, so neutral und sachlich wie möglich zu erscheinen, und überdies eine Übersetzung aus einem französischen Original ist, ist es schwierig, den bisherigen literarischen oder publizistischen Stil Einsteins darin wiederzuerkennen. Es sind vor allem Tropen, die religiöse, philosophische und literarische Assoziationen hervorrufen, die an Einsteins frühere Texte erinnern. 
 
Verwendete Metaphern sind z.B. die "Achillesferse der deutschen Intervention in Spanien" (S. 2) oder die als deutsch bezeichnete Methode, „das Tafelgeschirr zu zerschlagen“ (S. 31). Ausdrücke wie "expressis verbis" oder "Idiosynkrasie" sind zu finden. Ferner gibt es eine Anspielung auf Henri Bergsons "élan vital" ("fuerza vital", S. 24). Das Wort "leitmotiv" (S. 24) erscheint auf Deutsch im Text, und die Generalprobe für einen potenziellen neuen Weltkrieg wird als "Vorspiel eines neuen Weltenbrandes" (S. 2) bezeichnet.
Auch ist ein Rückgriff auf religiös besetzte Begriffe feststellbar : So ist von "erfundenen Legenden" (S. 24) die Rede, oder auch von einer "Trinität" (S. 12) von Außenpolitik, Kriegsökonomie und nationalsozialistischer Ideologie. Sprachwitz steckt in dem Vergleich : "Man hatte nicht etwa einen Delphin mit einem ‚rotspanischen’ Torpedo verwechselt" (S. 15), oder auch in dem Bismarck-Zitat, das ironisch modifiziert wird.[19]
 
Auf Einstein als Verfasser deutet auch die Verwendung des Ausdrucks "Dilettanten" hin.[20] Noch im Interview aus "La Vanguardia" 1938 wendet er sich gegen den "Dilettantismus", dem er seine Initiative eines "Collective de Recherche Professionelle" entgegenzusetzen beabsichtigt.
 
Dazu kommen Ausdrücke wie die "Romantik", die "falsche Romantik", der "Romantizismus" : "Seitdem der Gegner energisch gehandelt hat, ist die ganze Doktrin der Militärstützpunkte mit ihrer falschen Romantik wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen." (S. 15) Über die Briten heißt es : "Die Ideologie und die Romantik sind ihnen fremd, und sie betreiben eine ’realistische’ Politik." (S. 28)
Unzählige Kunstkritiken Einsteins qualifizieren bestimmte Künstler als ’Romantiker’ ab ; dieser Begriff wird auch in der "Fabrikation der Fiktionen" und in "BEB II" nahezu inflationär benutzt. Und nicht zuletzt in "Der Verfall der Ideen in Deutschland" bezeichnet Einstein diejenigen Deutschen, die behaupteten, sie seien ein Volk der Philosophen, als ’unbelehrbare Romantiker’.[21]
 
Die Nazis werden im spanischen Text als "Emporkömmlinge" ("advenedizos", S. 32) bezeichnet, was mit der häufig geübten "Parvenü"-Kritik Einsteins auffallend übereinstimmt. Selbst in "Die Front von Aragon" ist von einem "Parvenü-Kapitalismus" die Rede. Eine vernünftige Politik, so heißt es nun in der Broschüre, könne "nur von echten Männern und niemals von Emporkömmlingen durchgeführt werden". (S. 32)
 
Über die ’Dummheit’ und ’Frechheit’ der Nationalsozialisten hatte sich Einstein in seinen früheren Schriften schon mehrfach geäußert. Mit der für ihn typischen Kombination "frech", "unverschämt", "frivol" und "dumm" wird in der Broschüre häufig die Haltung der Nazis gekennzeichnet. Hinzu kommt noch die Bezeichnung "kriminell" (S. 30) zur Beurteilung der NS-Außenpolitik, und das scheinbar unüberlegte Handeln ihrer Vertreter als "Abenteuer" (S. 3, S. 5) ; ein weiterer Begriff, der beispielsweise in "BEB II" häufig anzutreffen ist.
 
Die Ideologie der Germanentümelei, hier als ’Pangermanismus’ bezeichnet, entspricht schon der Einsteinschen Diktion im bereits erwähnten Aufsatz "Der Verfall der Ideen in Deutschland" von 1924, der in der Sowjetunion erschienen war.[22] Auch spottet der Verfasser über die "Lukubrationen der ‚Nationalpatrioten’" (S. 31).
 
Die von ihm vorhergesagte Autodestruktion des NS-Regimes wird im Text als "Selbstmord" benannt, auch dies ein geläufiger Terminus aus Einsteins Werken. Er stellt ein Synonym für ein (selbst-)destruktiv ausgerichtetes Verhalten oder für das Scheitern einer Idee oder eines Konzeptes dar und sollte nicht mit einem suizidären Todeswunsch (des Autors) verwechselt werden. "Vielleicht wird es Großbritannien - aufgrund des Selbstmordes der deutschen Kräfte in Spanien - nicht mehr nötig haben, seine eigenen Mittel anzuwenden" (S. 29), lautet der entsprechende Satz.
 
Eine weitere Übereinstimmung mit anderen Einsteintexten findet sich in der häufigen Verwendung des Verbes "paralysieren". Dafür einige Beispiele : "Aber die deutschen Interventionisten gehen noch weiter : sie denken an die Möglichkeiten, die Verbindungslinien zu paralysieren oder gar abzuschneiden, die es Frankreich ermöglichen würden, seine Kolonialtruppen nach Europa zu befördern". (S. 7) Ein anderes Mal geht es darum, die Wiederaufrüstung Deutschlands lahmzulegen ("paralizar el rearme de Alemania", S. 8) ; eine weitere Stelle thematisiert die eventuell absichtlich herbeigeführte Lähmung und Schwächung Deutschlands von Seiten Großbritanniens sowie die Lähmung der Industrie des Feindstaates. (S. 15, S. 23) Dieses Verb findet sich nicht nur im Gesamtwerk Einsteins wieder, es ist sogar eines der Schlüsselwörter aus seinem Interview mit "La Vanguardia". Der Hinweis auf das drohende Abschneiden von relevanten Verbindungswegen nach Afrika, wie im ersten Zitat erwähnt, findet sich im Übrigen auch in jenem Interview wieder.

Themen

Das erste Kapitel trägt die Überschrift "Der Führer fordert von Franco Rohstoffe und militärische Stützpunkte für den Krieg gegen Frankreich" mit dem Untertitel "Erfolge, die eigentlich Niederlagen sind" und bringt die massiven militärischen Hilfsleistungen Hitlerdeutschlands an Spanien in einen engen Zusammenhang mit der gesamten Außenpolitik NS-Deutschlands. Dabei stützt er sich auf ein Zitat aus der "Deutschen Wehr" von Juni 1937, in der der Spanienkrieg als ein Ersatzkrieg für einen geplanten größeren Krieg bezeichnet wird. Dieses Zitat sei alarmierend, da die deutschen Machthaber ihr Land ohne Not in eine ausweglose Situation hineinmanövrierten, wo es doch für jeden ersichtlich sei, dass Deutschland im Kriegsfalle früher oder später an der Übermacht seiner Gegner scheitern müsse. In einem Krieg zählten allerdings nicht die Anfangserfolge, sondern das Endresultat. Damit wird auch angedeutet, dass der Krieg in Spanien vorübergehend in einer schwierigen Phase steckt. Um diese Tatsache abzumildern, gibt der Autor zu bedenken, dass eine bessere technische Ausrüstung "niemals ein Garant für den Sieg" sei, weil dabei wichtige psychologische Faktoren übersehen würden.
Der Kriegsmechanismus ist zum Scheitern verurteilt, wenn die mobilisierten Männer nicht auch über einen entsprechenden Kampfgeist verfügen, der nur aus der Überzeugung erwächst, eine gute Sache zu verteidigen. (S. 2)
 
Gleichzeitig wird betont, dass jede zusätzliche Materiallieferung an Spanien die militärischen Expansionspläne des NS-Regimes nachhaltig beeinträchtigen würde, da die Produktivität der deutschen Rüstungsindustrie bereits an ihre Grenzen gestoßen sei. Dieses Argument entspricht der Argumentation in "La Vanguardia".
 
Das Kapitel II "Nicht nur das deutsche Volk, sondern auch politische und militärische Machthaber sind gegen das spanische Abenteuer" thematisiert die Stimmung innerhalb der deutschen Bevölkerung und konstatiert Desinteresse und Verständnislosigkeit angesichts jenes "spanischen Abenteuers", dessen Sinn niemandem in Deutschland so recht einleuchte. Selbst innerhalb der Führungsriege des NS-Regimes herrsche Uneinigkeit über die Vorgehensweise in Spanien, insbesondere über die dabei angewandte Brutalität. Auch gebe es eine gezielte Desinformation in ganz Deutschland über das Ausmaß des militärischen Engagements in Spanien.
 
In Kapitel III wird - wie im Interview für "La Vanguardia"[23] - sehr detailliert Spaniens geostrategische Schlüsselposition im Mittelmeer dargestellt. Vier Motive für die Intervention Deutschlands und Italiens in Spanien werden dabei hervorgehoben : die neue Doktrin der Militärstützpunkte, die Notwendigkeit kriegswichtiger Rohstoffe, die Erprobung neuester Waffentechnik und die gegenseitige Unterstützung antikommunistischer Diktaturen. Diese vier Punkte hätten die Intervention in Spanien zugunsten der Aufständischen geradezu erzwungen. Der Verfasser geht weiter auf die Bedeutung von Militärstützpunkten in Nordafrika ein, die wichtige Brückenköpfe für den bevorstehenden Weltkrieg darstellen würden. Ihr Zweck bestünde darin, die lebenswichtigen maritimen Verbindungslinien Frankreichs und Großbritanniens - die transatlantische Route und die Mittelmeerroute - zu kontrollieren bzw. in einer späteren Phase abzuschneiden. Damit sei etwa auch der Einsatz der kolonialen Streitkräfte in Nord- und Westafrika zur Unterstützung Großbritanniens und Frankreichs gefährdet, falls diese Länder in einem Blitzkrieg angegriffen würden. Die deutsch-italienische Intervention in Spanien habe gleichzeitig die einzigartige Gelegenheit geschaffen, in spanischen Hoheitsgewässern Manöver durchzuführen, die jenes Abschneiden der französischen "Arterie" nach Afrika bereits jetzt erprobten.
 
In Kapitel IV geht es um die wirtschaftlichen Aspekte des Spanienkriegs. Der Verfasser vermutet ein großes Interesse Deutschlands an den spanischen Rohstoffvorkommen an Blei, Kupfer, Silber, Quecksilber, Zink, Pyrit, Eisenerz, Magnesium und Steinkohle, da die Wiederaufrüstung Deutschlands zu einem erheblichen Mangel an Rohstoffen geführt habe. Sie könne nur weiter aufrechterhalten werden, wenn die Versorgung mit kriegswichtigen Ressourcen gewährleistet sei. Insofern stelle die Eroberung und Aneignung der spanischen Bodenschätze bereits einen Wirtschaftskrieg dar und sei überdies gegen Großbritannien gerichtet, das erhebliche Anteile an spanischen Eisenerzminen besäße.
 
Ferner stellt der Autor die These der Erprobung der Effizienz neuester Waffensysteme in Spanien auf, die gleichzeitig die deutsche Rüstungsindustrie zu einem technischen Innovationsschub, etwa im Flugzeugbau, anrege. Auch auf das bereits im vorigen Kapitel erwähnte Bündnis antikommunistischer totalitärer Staaten wird erneut eingegangen, wobei er explizit noch Japans Rolle benennt und konstatiert, dass dieser neue politische Block autoritärer Staaten mit faschistischer Tendenz definitiv die Politik des Völkerbundes ignoriere und nicht mehr als verbindlich akzeptiere. Ihr gemeinsames Motto der angeblichen "Rettung der Zivilisation" sei bloß irreführende Ideologie. Vielmehr ginge es ihnen darum, strategische Stützpunkte aufzubauen und längerfristig die wichtigsten Handelswege und strategischen Auslandsverbindungen Frankreichs und Großbritanniens zu übernehmen.
 
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die Denkweise der Achsenmächte aus deren eigener Logik dargestellt wurde, wird in Kapitel V die Perspektive gewechselt. Nun gibt der Autor deutlich seine Sympathien für die Gegner Hitlers und Mussolinis zu erkennen und unterstreicht, dass sowohl die Taktik als auch die Strategie der Interventionisten bisher gescheitert sei. Eine zu eindimensionale, preußisch-militärische Denkweise habe bereits den Krieg von 1914-1918 in einer Niederlage enden lassen. Hitlerdeutschland ignoriere nun von neuem die potenzielle Allianz seiner politischen Gegner und sei dadurch im Begriff, den Fehler des Großen Europäischen Kriegs zu wiederholen.
Das von Gewaltanbetern regierte Deutschland provoziert die gesamte Welt, wobei es alle Regeln einer vorsichtigen und gemäßigten Politik missachtet. Es begeht in erster Linie den Fehler, seine drei gefürchtetsten Gegner zur gleichen Zeit anzugreifen : Frankreich, Russland und Großbritannien. (S. 13)
 
Erneut weist er darauf hin, dass militärische Anfangserfolge nichtssagend seien. Das Ergebnis einer solchen Kriegspolitik, wie NS-Deutschland sie betreibe, könne nur die militärische Niederlage sein. Selbst die neue Doktrin der Militärstützpunkte verspreche keinen Erfolg : Ein Kriegsschauplatz, der in einer so weiten Entfernung vom Nachschub liegt wie Spanien, sei von vornherein hochproblematisch und verbiete sich strategisch wie taktisch eigentlich von selbst. Gleichzeitig würden die deutschen Machthaber England und Frankreich unterschätzen, die sie fälschlicherweise für schwach und gelähmt hielten.
 
Als absolut gescheitert sei auch, wie in Kapitel VI ausgeführt wird, die Blitzkrieg-Taktik in Spanien anzusehen, was umso beachtlicher sei, als die hochmodern ausgerüsteten Aggressoren in ihrem Vorwärtsdrang von nur schlecht vorbereiteten und miserabel ausgerüsteten Verteidigern gebremst wurden. Die Durchführung eines Blitzkriegs habe sich jedoch als Illusion entpuppt. Anschließend geht der Verfasser auf das Aufweichen der klaren Grenze zwischen Krieg und Frieden ein im Rahmen jener neuen Kriegsdoktrin ein. Man habe eine ganze Ideologie des Blitzkriegs entwickelt und dabei gesehen, "wie sich die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen, indem der Krieg bereits zu Friedenszeiten stattfindet". (S. 25)
Diese Argumentation erinnert wiederum sehr stark an Einsteins in "La Vanguardia" erwähnten Filmtitel "La paz que mata" [wörtlich : Der Frieden, der tötet] zum selben Themenkomplex.
 
Die Effizienz moderner Waffen sei von deutscher Seite aus völlig überschätzt worden. Um dies zu belegen, stützt sich der Verfasser auf Zitate aus deutschen Militärorganen, in denen Rüstungsexperten die Panzerfahrzeuge, Flugzeuge und Flugabwehrvorrichtungen der spanischen Republik als besser bewerteten als die der eigenen Achsenmächte.
 
Das Kapitel VII gibt zu bedenken, dass die Einmischung Deutschlands in Spanien dazu beigetragen habe, ein weltweites Bündnis gegen Deutschland zu formen. Der Autor wiederholt darin seine Einschätzung, dass das Blitzkrieg-Konzept mit seiner Ausrichtung auf rasche Siege durch den massiven Einsatz motorisierter Verbände, die jegliche Gegenwehr überrollen, zum Scheitern verurteilt sei, wie die spanischen Erfahrungen lehrten. Vielmehr zeige Spanien, dass die Defensivkräfte angesichts der Bedingungen der neuen Kriegsführung sogar noch gestärkt worden seien. Auch für diese These werden Zitate aus in Nazideutschland erschienenen Militärpublikationen mit kritischen Äußerungen zum Blitzkrieg herangezogen. Menschen würden letztlich immer gegen Maschinen gewinnen, lautet das Fazit des Autors. Und er stellt eine Berechnung an. So seien zur Produktion von automatischen Waffen im Schnitt sieben bis acht Personen erforderlich. Die Kriegsindustrie benötige demnach eine ganz beträchtliche Anzahl von Arbeitern in der Rüstungsindustrie, die dann wiederum nicht mehr als Soldaten zur Verfügung stehen würden. Aufgrund jener vorangetriebenen Technisierung der Rüstungsproduktion würde Deutschland demnach in Zukunft die menschliche Arbeitskraftreserve im Krieg schneller ausgehen als seinen mutmaßlichen Gegnern. Mit der Nichtbeachtung dieser Tatsache würden diejenigen, die Deutschland jetzt regierten, leichtfertig und mit einer Frivolität ohnegleichen das Leben, das Glück und das weitere Schicksal ihres Volkes aufs Spiel setzen.
 
In absehbarer Zukunft würden Befestigungsanlagen zur Verteidigung gegen die deutsch-italienische Gefahr in den europäischen Staaten an Bedeutung gewinnen ; auch dies im Übrigen eine Art der Verteidigung, die von den Deutschen unterschätzt werde. Als herausragendes Beispiel benennt der Autor die französische Maginot-Linie, verweist als weiteres positives Verteidigungsbeispiel aber auch auf die trotz Improvisation erfolgreiche Verteidigung der spanischen Milizionäre in der Anfangszeit des Spanienkriegs.
 
Kapitel VIII thematisiert die deutsch-italienische Allianz. Da beide Staaten für ihre motorisierten Angriffskriege Kohle, Erdöl und Eisenerz benötigten, darüber aber nicht selbst verfügten, sei dies der wunde Punkt ihrer Kriegspläne. Der faschistische Partner Italien habe diesbezüglich noch weniger zu bieten als Deutschland und könne im Falle eines Krieges aus kriegsökonomischer Sicht sogar eine zusätzliche Belastung für Deutschland darstellen. Italien sei für länger andauernde Kriege in keiner Weise ausgestattet und müsse, wenn überhaupt, unter allen Umständen auf Blitzkriege setzen.
 
Das Kapitel IX widmet sich den ökonomischen Interessen deutscher Industrieller am Spanienkrieg. Es werden die Verflechtungen zwischen dem NS-Staat und der Großindustrie aufgezeigt, erwähnt werden wichtige deutsche Investitionen in Spanien und namentlich werden Firmen wie Siemens, Stolberg AG, die in Frankfurt ansässige Metall AG und IG Farben benannt. Der politische Charakter der deutschen Intervention in Spanien sei nicht vom ökonomischen zu trennen. Letztlich ginge es dort nicht um die Interessen der deutschen Nation, sondern um die von Großindustriellen und Finanziers der Hitlerpolitik. Die seien wiederum nicht nur nationalistisch ausgerichtet. Dies zeige das deutsche und britische Bank- und Finanzwesen in Spanien, das viel enger miteinander verflochten sei, als man allgemein annehmen würde. Der britische Staat habe bisher als Reaktion auf die militärische Unterstützung Francos durch Hitlerdeutschland seine Investitionen in Spanien sogar noch verstärkt, offenbar als Gegenreaktion zu der erwarteten Einflussnahme des Deutschen Reichs auf die spanische Ökonomie. Dies sei ein Beweis für Großbritanniens kluge, umsichtige und kaltblütige Politik. Sie beruhe auf einer Taktik des Abwartens, bis die Kräfte seines Gegners erlahmt seien, was schon bei Clausewitz beschrieben ist. Es sei ein weiteres Zeichen der Dummheit der deutschen Machthaber, dass sie dies nicht verstünden und sich somit unbeabsichtigt zum besten Verbündeten ihrer Gegner machten.
 
Das Schlusskapitel, Kapitel X, behandelt die mögliche Rettung Deutschlands vor politischen Abenteurern und Emporkömmlingen wie den Nazis. Diese werden als kriminell und wenig realistisch beschrieben. Deutschland habe sich auf einen Schlag Frankreich, Großbritannien und Russland zu Feinden gemacht und sei nun im Westen wie im Osten von Feinden umzingelt. Dies käme einer politischen Katastrophe gleich.
 
Im Anschluss an diese Ausführungen wehrt sich der Autor vehement gegen offensichtlich erhobene Forderungen nach einem Angriffskrieg gegen Deutschland und plädiert dafür, dies unbedingt zu vermeiden :
Nun jedoch mit dem Argument der deutsch-italienischen Intervention in Spanien den Krieg entfesseln zu wollen, ist ein Vorschlag von Verrückten. Nur völlig verwirrte Geister können sich eine solch ungeheuerliche Frivolität ausdenken, die wahrhaftig einen Verrat am deutschen Volk darstellen würde. (S. 31)
 
Eine solche Option bringe nur Zerstörung und Ruin ; daher sei die Kritik daran angemessen und notwendig :
Jeder wirklich national denkende Mensch hat die Pflicht, alles nur Mögliche zu tun, um das Schlimmste zu verhüten, um eine nationale Katastrophe zu verhindern, solange noch Zeit dafür bleibt. (S. 31)
 
Es bliebe einem nur noch blanke Verzweiflung, wenn das Naziregime mit dem deutschen Volk identisch wäre. Glücklicherweise sei dies nicht der Fall - und hier kommt erneut, so hartnäckig wie in keiner anderen politischen Schrift eines deutschen Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg - der Topos der Kunst ins Spiel :
Deutschland könnte auch beträchtliche Impulse auf anderen Gebieten liefern, ohne einen neuen Weltkrieg auszulösen. Sein Handel und seine Industrie, aber auch seine Kunstwerke und seine Gelehrten könnten den deutschen Geist brillieren lassen, und zwar ohne Expansionsprojekte, die die Deutschen den anderen Nationen verdächtig werden ließen und sogar die Existenz des deutschen Volkes bedrohen würden. (S. 32)
 
Die Broschüre schließt mit einem flammenden Appell zum raschen Sturz der NS-Machthaber durch die deutsche Armee, die vorläufig noch eine reale Gegenmacht zu den politischen Funktionären darstellen würde, und durchaus über Persönlichkeiten verfüge, die genügend nationales Verantwortungsbewusstsein und Mut aufzubringen imstande wären.
Sie sollten - mit Unterstützung der unbestrittenen Kräfte des deutschen Volkes - jener Politik ambitionierter Abenteurer ein Ende bereiten und das Reich und das Volk retten. Sie müssen handeln, bevor sie ihren Einfluss verloren haben, bevor sie ihre Energien aufgebraucht haben. Alle wissen, worauf und auf wen wir hiermit anspielen ! ... (S. 32)
 

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch diese Broschüre die Aufmerksamkeit der Leser auf politische, wirtschaftliche und militärstrategische Konstellationen, die außerhalb Spaniens liegen, gelenkt wird. Die militärische Übermacht des Gegners im Spanienkrieg, der ohne den permanenten logistischen Nachschub aus Deutschland und Italien schon längst geschlagen wäre, wird nicht geleugnet. Der Text zielt eher auf ein langatmiges Durchhaltevermögen der republikanischen Seite ab ["Bollwerk"], indem er die These aufstellt, dass Deutschland und Italien aufgrund ihrer gescheiterten Blitzkriegstaktik bald an die Grenzen ihrer industriellen Kapazität und intern an die Grenzen der politischen Belastbarkeit der eigenen Bevölkerung stoßen würden. Auch werden Frankreich und Großbritannien in positiv-suggestiver Weise als Nationen dargestellt, die sich im entscheidenden Moment zu wehren wüssten und ihrerseits den Großmachtplänen des Naziregimes Einhalt gebieten würden.
 
Gleichzeitig werden konkrete Zahlen genannt, die das Ausmaß der militärischen Intervention Deutschlands in Spanien belegen sollen. Wirtschaftliche und weiterführende geostrategisch-expansionistische Intentionen der Achsenmächte werden als Hauptursache für die Einmischung im Spanischen Bürgerkrieg ausgemacht. Diese Hinweise verstehen sich offenbar als Warnung vor den weiterreichenden kriegerischen Ambitionen des NS-Staats, für den Spanien nur ein willkommenes Manövergelände darstelle. Darüber hinaus müsse der Kriegsbegriff mittlerweile anders definiert werden, da sich ein Krieg moderner Prägung, ohne offiziell erklärt worden zu sein, schleichend und von den Gegnerstaaten unbemerkt, auf den unterschiedlichsten Ebenen längst vollziehe.
 
Wer könnte die Zielgruppe dieser Broschüre gewesen sein ? Der betont sachlich gehaltene Text schließt aus, dass die Broschüre agitatorischen Zwecken im Inland gedient hat, etwa, die spanische Bevölkerung zur Unterstützung einer bestimmten politischen Strömung aufzurufen. Auch kann es nicht wirklich darum gegangen sein, die republikanischen Spanier darüber aufzuklären, dass und welche italienische und deutsche Waffen im Krieg gegen sie eingesetzt wurden ; dies war evident und war auch vereinzelten Zeitungsmeldungen zu entnehmen. Die Ansprechgruppe der Broschüre dürfte vor allem im europäischen Ausland gelegen haben ; etwa im Umkreis des Nichteinmischungsausschusses. Dafür spräche zum einen, dass es für die spanische Republik wichtig war, dem Ausschuss schlüssige Beweise über die Nichteinhaltung des Abkommens durch Deutschland und Italien vorzulegen. Zum anderen war der Nichteinmischungsausschuss Mitte September 1937 zu der Feststellung gelangt, dass sowohl die See- als auch die Landkontrolle ein Fehlschlag waren.[24] Es gab also dringenden Handelsbedarf, und die spanische Regierung hoffte immer noch, Großbritannien und Frankreich zur Aufgabe ihrer Passivität zu bewegen.
 
Das letzte Kapitel kann als Aufruf zum Militärputsch an jene Wehrmachtsgeneräle gelesen werden, die von keiner Loyalität zu Hitler motiviert waren, aber angesichts der Tatsache, dass die stärkste europäische Arbeiterbewegung in Deutschland kampflos aufgegeben hatte, die einzige Hoffnung auf einen Putsch im Deutschen Reich selbst zu verkörpern schienen.
 

Schlusskommentar

Geht man nun davon aus, dass diese Broschüre Carl Einstein als Verfasser zuzuordnen sei - die erwähnten Rudolf Rocker und Hubertus Prinz zu Löwenstein sind es definitiv nicht -, dann ist diese Form der intensiven Auseinandersetzung Einsteins mit der Politik Hitlerdeutschlands bisher unbekannt, ebenso wie seine fundierten Kenntnisse militärgeschichtlicher und militärpolitischer Thematik. Doch es gibt im Gesamtwerk Einsteins durchaus etliche Anhaltspunkte dafür, dass der Erste Weltkrieg tiefe Spuren in seinem Leben hinterlassen hatte und er versucht hatte, ihn auch intellektuell aufzuarbeiten. So hatte bereits Nico Rost auf die intensive Clausewitz-Rezeption Einsteins hingewiesen,[25] und Rost war es auch, der sich gut daran erinnerte, in Einsteins Bücherregal ein - wie er schreibt - "prophetisches Pamphlet"[26] aus dem Jahr 1909 mit dem Titel "Die Entwicklung des Luftmilitarismus und die Auflösung der europäischen Landheere, Festungen und Seeflotten" gesehen zu haben.
 
Auch Einsteins Aufsatz in der sowjetischen Zeitschrift Rossija vom Februar 1924, "Der Verfall der Ideen in Deutschland",[27] zeigt deutlich, dass der Erste Weltkrieg, jene "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts"[28], die rund 11 Millionen Menschen das Leben gekostet und nahezu 20 Millionen kriegsversehrt hatte, Einstein dazu motiviert hatte, sich stärker mit der Militärgeschichte zu befassen, etwa wenn Noske darin als ein "deutscher Gallifet" bezeichnet wird,[29] oder wenn Einstein an den "denkwürdigen Krieg von 1870-71" erinnerte.[30]
 
War, wie Klaus H. Kiefer nachweisen konnte, Einstein anfangs noch mit völlig illusionären Vorstellungen von Helden- und Mannesmut in die Kaserne gezogen, so nahm er von diesen romantischen Ideen recht bald wieder Abstand. Was er erleben musste, war ein ultramoderner "industrialisierter Volkskrieg"[31], dem neu entwickelte Waffen (Jagdflugzeuge, z.B. "Sopwith Camel", Maschinengewehre, Panzer, Artillerie, Giftgas als Kampfstoff) zur Verfügung standen, die die Bedeutung des einzelnen Menschen auf ein Minimum reduzierten, ja, bei dem das "Aufopfern" von Hunderttausenden von Soldaten von den Kommandozentralen kaltblütig einkalkuliert wurde. Wer "den Einsatz von Giftgas, Flammenwerfern und Panzern überlebte, kam zumeist traumatisiert zurück", schreibt der Düsseldorfer Historiker Gerd Krumeich.[32] Dies trifft mit Sicherheit auch auf Carl Einstein zu, der nicht nur eine schwere Kopfverletzung davongetragen, sondern auch ein Leben lang tief schockiert von der Brutalität des modernen Krieges, von diesem ersten "industrialisierten Massenmord"[33] blieb. Im bereits erwähnten Rossija-Aufsatz kam er auf die dubiose Figur des modernen Chemikers zu sprechen :
Der deutsche Professor ist das gefährlichste Mitglied der Gesellschaft. Denn was kann gefährlicher sein als ein Mensch, der bei entwickeltem Gehirn das Gefühl für die Realität verlor ? Und genau das ist das Bemerkenswerte an einem deutschen Professor. Er sieht die Welt als ein festes System an, Ideen sind für ihn realitätsfremde Begriffe. Ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der das Giftgas erfand, mit der Absicht, möglichst viele Menschen zu Krüppeln zu machen. Nur ein Neurastheniker, der sich beharrlich an seine fixe Idee klammert, nur ein Mondsüchtiger der Theorie, der sich die unmittelbaren Auswirkungen dieser Theorie auf das Leben nicht vorstellen kann, ist zu so etwas fähig. Wenn ein Wissenschaftler sich mit allem, außer dem lebendigen Menschen, beschäftigt, kann er sehr gefühllos werden.[34]
Seine Aversion gegen eine Wissenschaft, die sich von der kapitalistischen Politik missbrauchen ließ, beruhte demnach nicht nur auf ideengeschichtlichen Konzepten, sondern auf erlebter Realgeschichte.
 
"Gefühllosigkeit" war auch Einsteins Stichwort zur Thematisierung der Folgewirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Kriegsgeneration. Von dieser Deformation der "schwer verletzten Kriegsgeneration" (FF, 85) ist in etlichen literarischen und politischen Schriften Einsteins die Rede ; etwa in der "Fabrikation der Fiktionen", wo er sie als einen Schutzmechanismus beschreibt (FF, 87). Ein anderes Beispiel ist das Romanfragment "BEB II", in dem es u.a. heißt :
mit BEB an den seen mit dem mädchen, während ein 12jähriges kind ertrinkt - Selbstmord. geschrei ; aber kälte, mitleidlos. der krieg hat alle gegen tod und mord abgestumpft. sie legen sich hin - Liebe - niemand kümmert sich um das entlaufene Kind - (B II, M. 39, o. S.)
Jene Emotionslosigkeit ist, wie man heute weiß, tatsächlich ein Merkmal für Traumatisierung. Einstein benannte dies auch selbst so. Sowohl in der "Fabrikation der Fiktionen" als auch in seiner Publikation "Georges Braque" behandelte er den Zusammenhang zwischen den seelischen Verletzungen, der damit verbundenen inneren Regression und deren Auswirkung auf die Kunstproduktion seiner Epoche, insbesondere den Surrealismus. (Vgl. W 3, 229, 316 ; FF, 85)
 
Offensichtlich hatte Einstein, dem die Aufrüstung Hitlerdeutschlands nicht entgangen war, die deutsche Außenpolitik nicht erst in Spanien mit Interesse und Sorge verfolgt. Wie viele Exilanten beging er den Fehler, einerseits die internen Streitigkeiten zwischen der NSDAP, der Wehrmacht und der deutschnational gesinnten Elite zu überschätzen, andererseits aber die Gefolgsbereitschaft der deutschen Bevölkerung gegenüber dem NS-Regime zu unterschätzen. Dennoch ist bemerkenswert, dass er Ende 1937 nicht mehr hoffte, dass ein breiter Widerstand aus der Bevölkerung Hitler und seine Gefolgsleute zu stürzen in der Lage war.
 
Die in der Broschüre abgegebenen Einschätzungen des Naziregimes sind nur teilweise zutreffend. Vorausschauend war die Bedeutung der Doktrin des Blitzkriegs, und ebenso die These vom Arbeitskräftemangel in der Industrie des Dritten Reichs im Falle eines Kriegs. Was er zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte, waren die ausgeklügelten Pläne des Dritten Reichs, sich aus den okkupierten europäischen Nachbarstaaten mit Fremd- und Zwangsarbeitern für die deutsche Industrie zu versorgen ; zuletzt mit circa 9 Millionen. Von wahnhaftem, einfältigem Draufloshandeln, wie es viele Exilanten den Nazis unterstellten, konnte dabei keine Rede sein.
 
Recht hatte Einstein mit seiner Wahrnehmung, dass die Unterstützung Franco-Spaniens weniger mit der dichotomischen Betrachtungsweise einer Auseinandersetzung zwischen "Faschisten" und "Marxisten" zu tun hatte, wie sie nach außen hin propagiert wurde, sondern vielmehr mit einer auf den eigenen militärstrategischen, wirtschaftlichen und bündnispolitischen Vorteil ausgerichteten Politik des Deutschen Reichs und Italiens.[35] Die zunehmende Ablehnung des Spanieneinsatzes unter der Bevölkerung fand tatsächlich statt, allerdings eher in Italien, wo die Popularität des Spanienfeldzuges rasch sank, als deutlich wurde, dass sich der Krieg in die Länge zog.[36]
 
Die ökonomische Bedeutung Spaniens für Nazi-Deutschland war letztlich nicht so entscheidend, wie Einstein annahm, da die Strategen bereits andere Gebiete mit wichtigen Bodenschätzen, wie etwa die Ölfelder Rumäniens, anvisiert hatten. Ebenso wenig haltbar ist im Nachhinein die Vorstellung von Franco als reiner Marionette der Achsenmächte. Über die Richtigkeit der These, dass Franco ohne die massiven Hilfsleistungen Italiens und Deutschlands nicht an die Macht gekommen wäre, besteht jedoch seitens der Historiker inzwischen kein Zweifel mehr.[37] Allerdings wird heute eher der Tatsache Rechnung getragen, dass die italienische Militärhilfe dabei von entscheidenderer Bedeutung für den franquistischen Sieg war als die deutsche.[38] Die These von der Mitvorbereitung des Militäraufstandes durch deutsche und italienische Stellen ließ sich jedoch nicht halten.[39]
Das Vertrauen auf die Maginot-Linie erwies sich ebenfalls als Fehleinschätzung. Auch die abwartende Haltung Großbritanniens als Stärke zu interpretieren, stellte sich als falsch heraus.[40] Die britische Furcht vor einem Krieg und ihre Appeasementpolitik waren in der Tat auf die militärische Schwäche Großbritanniens zurückzuführen, auf die zunehmenden Probleme mit seinem Empire und die Einflusseinbußen in Europa. Auch wurde die spanische Republik aus britischer Sicht als suspekt, da kommunistisch infiltriert, eingeschätzt, und deshalb ganz bewusst der Niederlage preisgegeben.
 
Insgesamt betrachtet, hat Einstein mit zweien seiner Einschätzungen Recht behalten : Es ist politisch nicht erfolgversprechend, eine populistisch-ideologische Bewegung ausschließlich mit Militärgewalt zu bekämpfen ; man benötigt eine "Offensive des Geistes", eine soziale und gesellschaftliche Entwicklung, die den Bedürfnissen der Menschen entgegenkommt und sie gegen die Anfälligkeit für brutale und machtbesessene Demagogen immunisiert. Auch siegten die Alliierten schließlich über Hitlerdeutschland - in einem Weltkrieg, der 60 Millionen Menschen das Leben kostete und nicht nötig gewesen wäre, hätten die europäischen Politiker schon rechtzeitig auf die Kriegsvorbereitungen des NS-Regimes reagiert. Der Barbarei und den Welteroberungsplänen wurde letztlich ein Ende bereitet. Dass der sechs Jahre währende Krieg und die zwölf Jahre Judenverfolgung auch ihm persönlich, der sich zunächst in Frankreich in Sicherheit wähnte, ganz konkret zum Verhängnis werden würden, gehört zu der inhärenten Tragik jener Texte von klarsichtigen deutschsprachigen Exilanten. Mit dieser soziologisch-empirischen Studie hatte Einstein noch versucht, in die sich anbahnende politische Dynamik einzugreifen. Als eintraf, was er sich als schlimmste aller Möglichkeiten ausgemalt hatte, traf ihn das nicht völlig unerwartet, aber dennoch schutzlos. Die Dynamik der historischen Entwicklung rollte über ihn, den Mahner und Warner, hinweg.
 
 
Article dans :
 
Marianne Kröger/Hubert Roland (éd.)
Carl Einstein im Exil - Kunst und Politik in den 1930er Jahren/
Carl Einstein en exile - Art et politique dans les années 1930
Wilhelm Fink Verlag
Paderborn 2007
 
 


[1] Antoine Gimenez (d.i. Bruno Salvadori) & Les Giménologues : Les Fils de la Nuit. Souvenirs de la guerre d’Espagne, Montreuil - Marseille : L’Insomniaque & Les Giménologues 2006, s. auch den Beitrag von Liliane Meffre in diesem Band. Für die Übersendung des einleitenden Artikels zu Carl Einstein in "Fragua Social" vom 13. April 1937 (Carl Einstein opina sobre los frentes) danke ich Myrtille Gonzalbo.
[2] Vgl. Einleitung in "Fragua Social".
[3] Vgl. hierzu auch Frank Schauff : Der verspielte Sieg. Sowjetunion, Kommunistische Internationale und Spanischer Bürgerkrieg 1936-1939, Frankfurt a. M. u. New York : Campus 2004.
[4] Ebd., S. 105. Schauff zitiert dabei aus der Zeitung "Bol’ševik" vom Mai 1937 aus der Rede des damaligen Obersten Staatsanwalts der UdSSR.
[5] Die Pfemferts hatten in Paris nachweislich Kontakt zu Einsteins Tochter Nina, auch, als diese schon verheiratet und der Vater im Spanienkrieg war. Vgl. Julijana Ranc : Alexandra Ramm-Pfemfert. Ein Gegenleben, Hamburg : Nautilus 2004, S. 122.
[6] Vgl. Hans Olink : Nico Rost. De man die van Duitsland hield, Amsterdam : Nijgh & van Ditmar 1997, S. 76.
[7] Vgl. Nico Rost : Nog eens mijn vriend Carl Einstein, in : KKK Kroniek van Kunst en Kultuur, Jg. 22 (1962/63), H. XI-XII, Nov. 1963, S. 53-58, hier S. 57 ; erstmals auf Deutsch abgedruckt in : Sibylle Penkert : Carl Einstein. Beiträge zu einer Monographie, Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht 1969, S. 122f. Sie zitiert aus der deutschen Fassung des Artikels, die sich im Carl-Einstein-Archiv befindet.
[8] Hierzu gehört auch eine von Helmut Rüdiger gelobte, von Einstein verfasste "gute Denkschrift über die ganze Front, kritisch und sachlich". Brief vom 2. April 1937, Korrespondenz Helmut Rüdiger-Rudolf Michaelis, CNT-Archiv, IISG, Amsterdam. Bereits zitiert in : Marianne Kröger : Carl Einstein und die "Grupo Internacional" der Kolonne Durruti. Ein Beitrag zur Auseinandersetzung Carl Einsteins mit der Realität des Spanischen Bürgerkriegs, in : Klaus H. Kiefer (Hg.) : Carl-Einstein-Kolloquium 1986, Frankfurt a. M. u.a. : Lang 1988, S. 266.
[9] Schreiben Carl Einsteins an Hubertus Prinz zu Löwenstein, Paris, o.D., Eingangsstempel bei der American Guild for German Cultural Freedom vom 5. Dezember 1940, Archiv der AGGCF, Deutsches Exilarchiv der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt am Main. Der Entschluss, sich keinem kommunistischen Militärkommando zu unterstellen und dennoch weiterzukämpfen, ließ sich auf zweierlei Art realisieren : durch die Eingliederung in gemischte Brigaden der spanischen Volksarmee, aber auch in die XII. Internationale Brigade ("Garibaldi-Bataillon"), die erst von dem italienischen Kommandanten Randolfo Pacciardi, dann von dem österreichischen Schriftsteller und sozialdemokratischen Politiker Julius Deutsch geleitet wurde und der sich etliche Freiwillige aus der Division Durruti anschlossen. Vgl. hierzu http://hls-dhs-dss.ch/textes/d/D27835.php und das Organigramm der Grupo Internacional der Kolonne Durruti : http://www.plusloin.org/gimenez/article.php3?id_article=219.
[10] Recht subtil ist dabei etwa seine Moskaukritik bei der Angabe im "La Vanguardia"-Interview, er habe eine Schrift "Geschichte des Bürgerkriegs in Russland" verfasst. Die KP versuchte damals gerade, einen Vergleich zwischen den revolutionären Ereignissen 1917-1921 in Russland und der Sozialen Revolution in Spanien zu vermeiden, da sie offiziell die Existenz einer revolutionären Situation in Spanien, wie sie die Anarchisten in ihren Machtbereichen schufen, negierte ; vgl. Schauff : Der verspielte Sieg, S. 57. Mit diesem Hinweis positioniert sich Einstein auf der KP-kritischen Seite. Ob diese Schrift tatsächlich existiert, ist nach wie vor unbekannt.
[11] Carl Einstein opina sobre los frentes, in : Fragua Social, Valencia, 13. April 1937. Die "Fragua Social" bezeichnete sich auch als das "Tagebuch der Revolution" und fungierte als Organ der CNT für die Levante, Valencia und Ortega ("órgano de la Confederación Nacional del Trabajo de Levante, Valencia, Ortega"). Vgl. http://www.guerracivil.org/Carteles/Cultura/
Cultura.htm.
 
[12] Die Broschüre befindet sich im Internationalen Institut für Sozialgeschichte (IISG), Amsterdam.
[13] Vgl. Rudolf Rocker : Die spanische Tragödie, New York : Freie Arbeiter Stimme, 1937 (Berlin : Karin Kramer Verlag 1976). Auch ihm ging es darum, " die Vorgänge in Spanien im Rahmen der allgemeinen politischen Lage in Europa so anschaulich wie möglich darzustellen und die feindlichen Interessengegensätze der Großmächte England, Frankreich, Deutschland, Italien und Rußland und ihren Einfluß auf den Verlauf des Spanischen Bürgerkrieges zu erklären". (Zit. n. Rudolf de Jong : Einleitung, in : Rocker, ebd., S. 11.) So kritisiert Rocker ebenfalls die Neutralitätspolitik der Entente gegenüber der legitimen spanischen Republik, geht auf die Bodenschätze und deren Bedeutung für die britischen Investitionen in Spanien ein, auf die geplante Kontrolle des Mittelmeers durch Italien, auf die Gefahr des Abschneidens Frankreichs von seinen afrikanischen Kolonien, auf das angeblich durch den Spanienkrieg geschwächte Waffenarsenal Deutschlands und den drohenden Zweiten Weltkrieg ; nur mit viel mehr Anklage und Verurteilung, mit mehr Polemik und vor allem mehr Kritik an der Sowjetunion verbunden. - Rocker hatte außerdem 1938 jene Broschüre über den Anarchosyndikalismus veröffentlicht, die laut Auftrag Helmut Rüdigers eigentlich Carl Einstein hätte schreiben sollen : Rudolf Rocker : Anarcho-syndicalism, theory & practice, an introduction to a subject which the Spanish war has brought into overwhelming prominence. London : Secker and Warburg, 1938 (154 S.).
 
 
[14] Vgl. Findbuch-Edition Carl Einstein 1885-1940, bearb. v. Carsten Wurm, Berlin-Brandenburg : Stiftung Archiv der Akademie der Künste 2002, S. 43. Auf der Blattseite Einsteins stehen die Seitenangaben "3" und "4" vermerkt. Carsten Wurm datiert das Blatt auf 1939-1940, was mir zu spät erscheint.
[15] Vgl. Abdruck des Interviews in "La Vanguardia" mit der Überschrift "Carl Einstein erläutert den Mehrfrontenkrieg und die Kriegspläne des Nazifaschismus" (aus dem Span. v. Marianne Kröger), in : Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Nr. 12 (1992), S. 93-96.
[16] Auch der konservative katholische Schriftsteller, Publizist und Politiker Hubertus Prinz zu Löwenstein, der 1937 das republikanische Spanien bereiste und darüber 1937 in London "A Catholic in Republican Spain" veröffentlichte, hatte auf den wachsenden Einfluss und die Propaganda der NSDAP in Spanien vor dem Putsch aufmerksam gemacht und sich dabei auf Beobachtungen eigener Verwandten in Spanien gestützt, vgl. Prince Hubertus Friedrich of Loewenstein : A Catholic in Republican Spain, London : Victor Gollancz 1937, S. 6f.
[17] Am 9. 9.1936 wurde auf Initiative von Frankreich und Großbritannien ein internationales Nichteinmischungskomitee mit Sitz in London gegründet, an dem 27 Staaten beteiligt waren, darunter auch die Sowjetunion, Deutschland und Italien. Das eigentliche Ziel bestand darin, eine Nichteinmischungspolitik durchzusetzen, die den spanischen Konflikt isolieren und Deutschland und Italien zur Beendigung ihrer aktiven Unterstützung Francos zwingen sollte. Zwar wurde ein Abkommen unterzeichnet, doch scheiterte diese Politik daran, dass die faschistischen Staaten zu keinem Zeitpunkt mit der Weiterbelieferung und tatkräftigen Unterstützung der Franquisten aufhörten. Zudem sah Großbritannien seine Kapitalinteressen in Spanien im Falle einer sozialen Revolution gefährdet und fürchtete ebenso den Sieg des Kommunismus in Spanien. Außenminister Anthony Eden, verantwortlich für die britische Spanien-Politik, war dadurch wenig motiviert, die legitime spanische Regierung an der Macht zu halten. Er erkannte die von Hitler und Mussolinie ausgehende Gefahr für Europa erst im Laufe des Jahres 1937, und erst viel später sprach er sich gegen die erfolglose Nichteinmischungspolitik aus. Der Bruch des Abkommens durch die Achsenmächte wurde immer wieder zum Tagesordnungspunkt bei den Treffen des Ausschusses, wobei dem sowjetischen Gesandten die Aufgabe zufiel, klare Beweise dafür vorzubringen, da die spanische Regierung selbst kein Mitglied im Nichteinmischungskomitee sein durfte.
[18] Vgl. CNT-Archiv im IISG, Amsterdam.
[19] "Franco verkörpert folglich derzeit nicht nur die Knochen der Grenadiere aus Pommern, sondern auch Hekatomben von Toten." (S. 3)
[20] "Nur die Dilettanten können glauben, dass der Motor auf längere Sicht eine aus Menschen bestehende Weltsicht bestimmt", S. 20.
[21] Carl Einstein : Der Verfall der Ideen in Deutschland. Aus d. Russ. rückübers. u. eingeleitet v. Christoph Braun, in : Klaus H. Kiefer (Hg.) : Carl-Einstein-Kolloquium 1986, Frankfurt am Main u.a. : Peter Lang 1988, S. 247.
[22] Vgl. ebd., S. 248.
[23] Vgl. Fußnote 15.
[24] Vgl. Schauff : Der verspielte Sieg, S. 304. Im Frühjahr 1938 brachte die spanische Regierung ihre Klage gegen die deutsche und italienische Intervention erneut beim Völkerbundsrat ein.
[25] Vgl. Nico Rost : Nog eens mijn vriend Carl Einstein, S. 54 ; in Penkert : Carl Einstein, S. 86.
[26]Rost:NogeensmijnvriendCarlEinstein,S.53 ; in Penkert : Carl Einstein, S. 63.
[27] Vgl. Einstein : Der Verfall der Ideen in Deutschland, s. Fußnote 21.
[28] Der Begriff stammt ursprünglich von dem US-amerikanischen Historiker und Diplomaten George F. Kennan ("the great seminal catastrophe of this century"). Heute vgl. u.a. Wolfgang J. Mommsen : Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914-1918, Stuttgart : Klett-Cotta 2002.
[29] General Marquis de Gallifet hatte auf barbarische Weise Rache an den Gefangenen der Pariser Commune geübt und galt als "Henker der Commune".
[30] Einstein : Der Verfall der Ideen in Deutschland, S. 255.
[31] Gerhard Hirschfeld u. Gerd Krumeich : Das große Sterben. Urkatastrophe oder Dreißigjähriger Krieg - Der Erste Weltkrieg als Epoche, in : Frankfurter Rundschau, 28.07.2004, http://www.fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/zeitgeschichte/
der_erste_weltkrieg/ ?sid=481c7b85512f47a4daa916506b702ef4&em_cnt=478948.
[32] Ebd.
[33] Ebd.
[34] Einstein : Der Verfall der Ideen in Deutschland, S. 252.
[35] Vgl. Bernecker : Krieg in Spanien 1936-1939, S. 50.
[36] Ebd., S. 76.
[37] Vgl. ebd., S. 47.
[38] Vgl. ebd., S. 74 : "Die italienische Hilfe blieb bis Kriegsende bestehen, die letzte Verstärkung der Expeditionsarmee (um abermals 5000 Mann) erfolgte noch im März 1939."
[39] Angel Viñas’ überarbeitete Studie von 1977 (Angel Viñas : La Alemania nazi y el 18 de julio, Madrid : Alianza Editorial 1977) lässt deutlich werden, "dass es zwischen 1931 und 1936 vielfältige ’offizielle’ und ’verdeckte’ deutsch-spanische Kontakte gab, dass aber weder eine finanzielle Unterstützung spanischer faschistischer Gruppen durch das Deutsche Reich nachgewiesen werden kann noch den Berlinbesuchen spanischer Politiker irgendeine weiterreichende Bedeutung im Hinblick auf den geplanten Putsch beizumessen ist." (Zit. n. Bernecker : Krieg in Spanien, S. 49.) Somit gilt die These von der deutschen Anstiftung des Spanischen Bürgerkriegs in der Geschichtsforschung als widerlegt.
[40] Vgl. Bernecker, ebd., S. 80.